Große Hürden bei Pensionsanträgen

Leistungen des Sozialversicherungssystems waren noch nie einfach zu lukrieren. Voraussetzungen werden akribisch geprüft und Ansprüche nicht leichtfertig gewährt. Dies ist ganz im Sinn der Versicherten und der SteuerzahlerInnen, um die eingezahlten Beiträge sorgsam einzusetzen. Auch die Zuschüsse des Staates fließen nicht unkontrolliert und sind in Zeiten der Haushaltsdefizite ohnehin oft populistischen Angriffen ausgesetzt. Gegen eine genaue und ordnungsgemäße Verwaltungspraxis gibt es keine Einwände. Außer die Sparsamkeit treibt Blüten und vertreibt AntragsstellerInnen, verzögert den Bezug und vermehrt die bürokratischen Hürden.
ein Beitrag von Norbert Krammer, VertretungsNetz – Sachwalterschaft

Leider machen wir als VereinssachwalterInnen im Rahmen der Vertretung von Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung immer öfter die Erfahrung, dass die Hürden ständig zunehmen. Waren es vorerst nur immer umfangreichere Antragsformulare und kürzere Befristungen, brachte die Abschaffung der befristeten Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit weitere Problemfelder, insbesondere für jüngere, arbeitsunfähige Menschen. Das neue Rehabilitationsgeld öffnet für die einen den Weg zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt über entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen, für andere bedeutet das Reha-Geld eine Verschlechterung gegenüber der früher gewährten Invaliditätspension. Übergangsregelungen sind unübersichtlich und selbst in der Fachliteratur noch Gegenstand kritischer Diskussion.
Dies erlebte auch Frau A., deren „Hürdenlauf“ hier exemplarisch kurz dargestellt sei: Schon vor längerer Zeit verlor Frau A. ihren stundenweisen Job als Reinigungskraft, da sie „zu langsam war“, wie ihr ehemaliger Dienstgeber meinte. Aber auch, weil Frau A. auf Grund einer depressiven Erkrankung mit psychotischen Symptomen immer wieder von der behandelnden Ärztin krankgeschrieben werden musste. Eine Vermittlungschance auf einen neuen Arbeitsplatz sah die bemühte AMS-Beraterin nicht, ein weiterer Arbeitsversuch in einem sozialökonomischen Betrieb musste ebenfalls krankheitsbedingt abgebrochen werden. Gerne hätte Frau A. mehr Zeit mit ihrer sechsjährigen Tochter verbracht, sie öfters besucht. Das Jugendamt hat in der Zwischenzeit bereits die Obsorge für die Tochter übernommen, die bei der Großmutter lebt. Denn Frau A. war auf Grund ihrer Erkrankung, der intellektuellen Beeinträchtigung und nach der Scheidung von ihrem Mann mit der Erziehung ihrer Tochter zu sehr belastet. Hoffnung setzten Frau A. und auch ihre behandelnde Therapeutin in eine Beruhigung der Situation durch Einkommenssicherung. Und in dieser Gesamtsituation war ein Pensionsantrag der logische nächste Schritt für alle Beteiligten. Gemeinsam mit der Vereinssachwalterin stellte Frau A. einen Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension.
Wie so oft wurde der Antrag durch die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vorerst abgelehnt, obwohl das Gutachten der Ärztin sowohl die Krankheit als auch die Arbeitsunfähigkeit bestätigte und in einer Reha-Maßnahme keine Chance für ein Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit sah. Gegen den Bescheid brachte die Vereinssachwalterin eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht ein, damit ein unabhängiges Gericht das Verwaltungshandeln prüft. Dann gab es nochmals eine fachärztliche Untersuchung. Die Fachärztin für Psychiatrie bestätigte die Diagnosen und führte in ihrem Gutachten aus, dass Frau A. am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einsetzbar und eine Veränderung nicht wahrscheinlich sei. Der Berufsrichter des Landesgerichts schloss sich nach Gutachtenserörterung der Argumentation der Gutachterin an und sah im Urteil die Zuerkennung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit als rechtens an. Die Erleichterung stand Frau A. ins Gesicht geschrieben.
Doch die PVA entschied sich überraschender Weise dazu, ein weiteres Rechtsmittel einzubringen. Diesen ungewöhnlichen Schritt setzte die PVA vermutlich, um das Gutachten aus rechtlicher Sicht nochmals zu hinterfragen. Nun, Frau A. wird gut vertreten sein. Und die dauerhafte Invalidität wird durch die bisherigen Gutachten schon ausreichend untermauert. Eine weitere rechtliche Prüfung, ob die Einschränkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt, sollte kein Hindernis mehr für den Bezug der unbefristeten Invaliditätspension sein.

Für Frau A. stellten sich die wiederholten Untersuchungen, Gespräche, Anträge, Rechtsmittel und Unsicherheiten als bürokratische Hürden dar und nicht, wie von Politik und Verwaltung behauptet wird, als Sprungbrett für den Arbeitsmarkt und notwendiges Kontrollsystem.

Leider belegen unsere Erfahrungen, dass die Geschichte von Frau A. kein Einzelfall ist. Immer wieder nehmen wir wahr, dass die PVA in ihren Bescheiden den eigenen GutachterInnen nicht zur Gänze folgt und z.B. auch beim Pflegegeld geringere Einstufungen vornimmt. Erst eine erfolgreiche Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bringt oft die erwartete Pflegegeldstufe, obwohl das Ergebnis schon absehbar war.

Die Leistungen der PVA sind immer unzugänglicher und werden nur durch Ausdauer und Überwindung von bürokratischen Hürden erreichbar.

Ein Überdenken in Richtung barrierefreien Leistungszuganges ist aus unserer Sicht dringend erforderlich.

 

Dieser Artikel ist im Rundbrief (Juli/August 2015), der Monatszeitung der Sozialplattform OÖ, erschienen. Hier können Sie den Rundbrief abonnieren

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