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Neuerungen bei der Mindestsicherung in Oberösterreich seit 1. Juli 2016

ein Beitrag von Iris Woltran, Arbeiterkammer OÖ
Nach monatelangen Diskussionen und Verhandlungen wurden die von ÖVP und FPÖ geplanten Verschärfungen im Bereich der Mindestsicherung am 16. Juni 2016 im oberösterreichischen Landtag beschlossen und diese traten auch bereits am 1. Juli 2016 in Kraft. Kern der Neuerungen sind die massiven Verschlechterungen für Asylberechtigte mit befristeter Aufenthaltsberechtigung („Asyl auf Zeit“) und für subsidiär Schutzberechtigte. Diese rechtlichen Neuregelungen gelten jedoch nur bei Zuerkennung des jeweiligen Aufenthaltstitels ab 1. Juli 2016 im Rahmen eines Erst- oder Folgebescheides. weiterlesen

Weiters gilt diese neue Regelung für Erwachsene und begleitete minderjährige Personen. Für unbegleitete minderjährige anerkannte Flüchtlinge (oder subsidiär Schutzberechtigte)  gelten die bisherigen Leistungshöhen der Mindestsicherung.

Benachteiligung rechtswidrig

Anzumerken ist, dass diese rechtlichen Neuerungen in Oberösterreich der derzeitigen Bund-Länder-Vereinbarung gem. Art 15a B-VG zur Mindestsicherung eindeutig widersprechen[1] und auch die rechtlichen Verschärfungen im Bereich der Leistungshöhen sowohl völker-, als auch europarechtlich[2] rechtswidrig sind, denn jedenfalls Asylberechtigte dürfen im Bereich der Sozialhilfeleistungen nicht gegenüber Österreicher und Österreicherinnen benachteiligt werden. Durch diese Regelung geschieht dies jedoch eindeutig. Des Weiteren bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken, da kein tatsächlicher sachlicher Grund vorliegt, der diese massive Differenzierung im Leistungsbereich rechtfertigt. Dennoch wurde das Gesetz im Landtag beschlossen.

Es ist aus rechtstaatlicher Sicht bedenklich, wenn bestehende Rechtsgrundlagen von einem Landesgesetzgeber in diesem Ausmaß ignoriert werden. Damit die Menschen nun zu ihrem Recht kommen, müssen sie die Gerichte – insbesondere den Verfassungsgerichtshof –  um Klarstellung anrufen. Dies kann jedoch Monate in Anspruch nehmen.

Aber nicht nur die rechtliche Sicht ist problematisch, sondern auch die sozial- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen sind fatal, denn diese Neuregelung verschlechtert die Situation der Betroffenen wesentlich und führt in keiner Weise zu einer verbesserten Integration, sondern ganz im Gegenteil der Druck auf die bedürftigen Menschen steigt und angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage, ist es gerade für diese Personengruppe noch viel schwerer eine Arbeit zu finden.

Besser wäre es gewesen, – neben einer stabilen sozialen Sicherung – verstärkt im Bereich der Integration wie beispielsweise Deutsch- und Alphabetisierungskurse, Jobs am 2. Arbeitsmarkt etc. aktiv zu werden. Denn je früher eine Integration in eine existenzsichernde Arbeit erfolgt, desto eher sind diese Menschen nicht auf die Mindestsicherung angewiesen. Wichtig wäre es daher, bereits bei Asylwerber und Asylwerberinnen mit erfolgversprechenden Integrationsmaßnahmen anzusetzen, damit ein BMS-Bezug so kurz wie möglich gehalten wird bzw. im Idealfall erst gar nicht mehr notwendig wird.

Neuregelung im Detail

Asylberechtigte mit einer befristeten Aufenthaltsberechtigung und subsidiär Schutzberechtigte erhalten künftig zur Deckung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nur mehr eine sogenannte Basisleistung. Diese orientiert sich an der Höhe der Grundversorgung für Asylwerber und Asylwerberinnen. Weiters gebührt noch ein sogenannter Steigerungsbetrag, wenn die Menschen die sogenannte „Integrationserklärung“ einhalten. Die Inhalte dieser neuen „Integrationserklärung“ sind in einer eigenen Verordnung (Oö. Mindestsicherungsverordnung-Integration 2016) geregelt und beinhalten Punkte wie Grundwerte und –regeln des Zusammenlebens, Erlernen der deutschen Sprache, Kürzung und Einstellung bei Nichterfüllung der Integrationserklärung etc.

Wenn Hilfsbedürftige trotz nachweislicher vorheriger Ermahnung durch die Behörde die Integrationserklärung nicht einhalten, sonstige Maßnahmen zur Integration nicht setzen oder zielstrebig verfolgen, ist der Steigerungsbetrag stufenweise zu kürzen oder ganz einzustellen.  Bedürftige Alleinstehende bekommen dann unter Umständen bei Kürzungen statt € 560 monatlich, nur mehr € 365 zuzüglich eines Taschengeldes in der Höhe von € 40 ausbezahlt.

Die gesamte Leistungshöhe

  • beträgt nämlich z.B. für eine alleinstehende erwachsene Person € 560 pro Monat
  • inklusive Steigerungsbetrag in der Höhe von € 155
  • und einem Taschengeld in der Höhe von € 40.
  • Die bisherige Leistungshöhe für diese Personengruppe lag bei € 914 inkl. Wohnbedarf (Wert für 2016).

Es erfolgt somit eine spürbare Leistungskürzung um rund ein Drittel bei Entfall des Steigerungsbetrags. Vergleicht man diese Werte mit der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle, – diese definiert, wann eine Familie aufgrund ihrer finanziellen Mitteln in Armut lebt – , so wird die prekäre Situation noch mehr verdeutlicht, denn dieser Schwellenwert liegt aktuell bei € 1.163 monatlich (12 Mal jährlich) für einen Einpersonenhaushalt. Die Armutsbetroffenheit ist somit bei dieser neuen Personengruppe, als auch bei den bisherigen Mindestsicherungsbezieher und Mindestsicherungsbezieherinnen eindeutig gegeben.

Es kann daher nicht darum gehen, die Leistungen noch weiter zu reduzieren, sondern den Menschen bei Bedürftigkeit eine stabile soziale Sicherung zu gewähren, denn die Mindestsicherung ist das letzte Netz der sozialen Absicherung. Sie ist eine steuerfinanzierte Leistung und von Anfang an nicht als eine beitragsfinanzierte Versicherungsleistung angedacht.

Auch der Erwerb einer Anwartschaft ist nicht Voraussetzung für den Leistungsbezug. Sie wird erst dann aktiv, wenn die vorgelagerten Systeme wie Arbeitsmarkt oder Sozialversicherung nicht mehr ausreichen. Ohne umfassende Mindestsicherung (BMS) sind Menschen in sozialen Notlagen auf sich allein gestellt und auf Almosen angewiesen. Ein Abdriften in Schwarzarbeit, Kriminalität und Prostitution sind die drohenden sozial mehr als unterwünschten Folgen.

Job-Bonus

Zeitgleich mit diesen Verschärfungen für anerkannte Flüchtlinge wurde ein sogenannten „Job-Bonus“ bzw. „Beschäftigungs-Einstiegsbonus“ (gem. § 18a Oö. BMSG) implementiert. Dieser gilt für alle BMS-Bezieher und BMS-Bezieherinnen unter bestimmten Voraussetzungen bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.

  • Der Bonus gebührt im Ausmaß von höchstens einem Drittel des monatlichen Nettoeinkommens.
  • Nettoeinkommen und Bonus dürfen zusammen jedoch nur maximal 140 Prozent des Mindeststandards im Rahmen der BMS betragen.
  • Diese Obergrenze liegt z.B. bei einem Alleinstehenden in der Höhe von € 1.279,60 (= 140 % von € 914) und bei einem Asylberechtigten mit einer befristeten Aufenthaltsberechtigung bei €  511 (= 140 % von € 365)[3].
  • Auch bei Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung (bei einem Verdienst bis zu € 415,72 mtl. im Jahr 2016) kann bei Erfüllung aller übrigen Voraussetzungen daher ein Bonus gewährt werden.  Der Bonus kann auch dann gewährt werden, wenn kein BMS-Bezug mehr besteht.
  • Dieser Bonus ist innerhalb eines Monats ab Aufnahme der Erwerbstätigkeit bei der Behörde zu beantragen und gebührt nur nach einem sechsmonatigen BMS-Bezug für höchstens zwölf Monate.
  • Weiters muss die Meldung der Beschäftigung binnen zwei Wochen erfolgt sein. Dieser „Job-Bonus“ kann dann erst wieder nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Ende der Bezugsdauer erneut gewährt werden.

Relevant wird jedoch sein, ob durch diesen Bonus tatsächlich eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt gefördert wird. Dies liegt natürlich nur dann vor, wenn die Personen nicht mehr auf eine BMS bzw. auf den „Job-Bonus“ angewiesen sind und somit eine tatsächliche Inklusion erfolgt. Eine reine Subventionierung des Niedriglohnsektors kann im Einzelfall für den Betroffenen aufgrund des höheren Einkommens positiv sein, ist jedoch arbeitsmarktpolitisch nicht der richtige Weg, denn Menschen und ihre Familien leben weiterhin unter prekären Bedingungen.

Abschließend ist anzumerken, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ursprünglich als ein Instrument zur Armutsbekämpfung ins Leben gerufen wurde. In den letzten Jahren war man auch auf einem sehr guten Weg. Leider wird diese soziale Leistung nun für populistische Zwecke und für den Kampf um Wählerstimmen missbraucht.  Es ist sehr schade, dass diese zentrale soziale Sicherung und ihre Bezieher/-innen, – die zumeist mit zahlreichen Problemlagen zu kämpfen haben – nun diskreditiert werden und bestehende Mindeststandards beschnitten bzw. weitere Verschärfungen beim Leistungszugang z.B. Deckelung der BMS für Familien in der Höhe von € 1.500, „Ein-Euro-Jobs“ etc. angedacht sind.

Man kann nur hoffen, dass man endlich zu einer Politik findet, die die Armut bekämpft und nicht die Armen.

[1] Aktuell sind Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte gemäß dieser Vereinbarung den österreichischen Staatsangehörigen gleichgestellt.
[2] Art. 29 Abs 1 „Status-RL“ (RL 2011/95/EU) verlangt, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist …, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige des Mitgliedstaates erhalten. Nach Abs 2 können die Mitgliedstaaten allerdings abweichend davon die Sozialhilfe für subsidiär Schutzberechtigte auf „Kernleistungen“ beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.
[3] Da der Steigungsbetrag und das Taschengeld nicht als Mindeststandard gelten, wird die Obergrenze nur von der Basisleistung bemessen.

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at