Richtsatz-Änderung bei Mindestsicherung jetzt überfällig

Der oö. Landtag ist gefordert. Foto: Land OÖ, Dedl
Der oö. Landtag ist gefordert.
Foto: Land OÖ, Dedl

Seit Jahren wird die Anrechnung von erhöhter Familienbeihilfe in der Bedarfsorientieren Mindestsicherung (BMS) heftig kritisiert. Das Land Oberösterreich ist säumig und setzt die Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländern, die sogenannte Art-15a-B-VG-Vereinbarung zur BMS, zumindest in einem Teilbereich nachlässig um.

ein Beitrag von Norbert Krammer, VertretungsNetz – Sachwalterschaft

Bisher versuchte das Land Oö., diesen Vorwurf durch eigene Interpretationen der Vereinbarung zu entkräften. Die Armutskonferenz verlieh dem Land Oö. (wie auch Kärnten) für diesen Missstand bei Gesetz und Vollziehung vor über einem Jahr eine sogenannte „Zitrone“ und forderte die Beendigung der finanziellen Nachteile für Menschen mit Beeinträchtigungen (vgl. www.mindestsicherung.at).

Es wundert daher nicht, dass die Armutskonferenz dieses Thema auch im aktuellen Katalog ihrer Forderungen und Vorschläge unvermindert auflistet. Während im letzten Jahr Niederösterreich nach heftiger Debatte die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe endlich beendete, beschloss der oö. Landtag vor wenigen Wochen neuerlich einen geminderten Sonderrichtsatz für erwachsene BezieherInnen der erhöhten Familienbeihilfe. In der Diskussion wurde über unfinanzierbare Kosten lamentiert, die in Oberösterreich – im Gegensatz zu fast allen übrigen Bundesländern – offensichtlich nicht von der öffentlichen Hand zu stemmen wären. Ein möglichst selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Beeinträchtigungen in eigenen Wohnräumen wird so deutlich schwieriger.

Anfang Februar 2015 konnte eine Erfolgsmeldung verzeichnet werden: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob jene Bestimmung der oö. BMS-Verordnung auf, in der die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe geregelt wird. Dem Prüfverfahren des VfGH waren zwei Beschwerden beim Höchstgericht vorangegangen, in denen sowohl die Arbeiterkammer Oö. als auch VertretungsNetz – Sachwalterschaft in konkreten Einzelfällen die Gesetzmäßigkeit des reduzierten Mindeststandards anfochten. Das „Aussitzen“ der unklaren und, wie sich nun herausstellt, gesetzwidrigen Bestimmung im oö BMS-Gesetz hat sich nicht gelohnt, das Land Oö. muss jetzt eine neue Verordnung vorbereiten.

Der VfGH hat sich leider nicht so weit vorgewagt und die in der Bund-Länder-Vereinbarung nicht vorgesehene Anrechnung der (erhöhten) Familienbeihilfe gänzlich untersagt, sondern beschränkt sich zunächst auf das Außerstreitstellen des Erhöhungsbetrages, der nun keinesfalls die BMS-Leistung mindern darf. Ein erster Schritt und ein Schuss vor den Bug für das Landes Oberösterreich! Vertraglich vorgesehen war, dass die Art-15a-B-VG-Vereinbarung möglichst einheitlich umgesetzt wird. Leider haben einzelne Bundesländer kleine juristische Schlupflöcher genutzt und benachteiligende Regelungen beschlossen.

In Oberösterreich sollte nach dem VfGH-Beschluss endlich Schluss sein mit der finanziellen Benachteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen, die erhöhte Familienbeihilfe beziehen und Unterstützung aus der Mindestsicherung benötigen. Alle angrenzenden Bundesländer haben bereits vereinbarungskonforme Regelungen.

Landesregierung und Landtag sind aufgerufen, die Bund-Länder-Vereinbarung in Oberösterreich jetzt umzusetzen, Familienbeihilfe bei erwachsenen Menschen nicht anzurechnen und damit Benachteiligungen zu beenden!

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at