Sind drei Monate Entscheidungsfrist bei Notlagen nicht zu lang?

Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS): Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Entscheidungsfrist von drei Monaten bei einem Hilfeinstrument für in Not geratene Menschen als Regel aufrecht zu halten ist. Hilfe muss rechtzeitig einsetzen. Da sind drei Monate zu lang und sicher nicht mehr unter Rechtzeitigkeit zu subsumieren. Die Praxis bestätigt uns, dass überwiegend zeitnah entschieden und die Hilfe geleistet werden kann.

ein Beitrag von Norbert Krammer, VertretungsNetz – Sachwalterschaft

Wie alle Bundesländer hat sich auch Oberösterreich mit dem Mindestsicherungsgesetz (MSG) hohe Ziele gesetzt. In der Einleitung des oö. MSG definiert das Land „die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens“ (§ 1) als Aufgabe des Gesetzes und damit auch der Landesverwaltung. Mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) soll Menschen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden, unter klar definierten Umständen und Einhaltung strenger Rahmenbedingungen (beispielsweise Einsatz der eigenen Arbeitskraft, des Einkommens und des Vermögens) Unterstützung zukommen: eine hilfreiche und wirksame Leistung des notwendigen Sozialstaates.

Hilfe muss rechtzeitig einsetzen, daher wird das sogenannte Rechtzeitigkeitsprinzip im MSG als Grundsatz postuliert. Natürlich sind bei einem behördlichen Verfahren verschiedene Verfahrensschritte einzukalkulieren, daher ist mit einer Bearbeitungszeit zu rechnen. Und im Notfall wird Soforthilfe geleistet, wie positive Beispiele bestätigen. Jeder BMS-Antrag muss mit einem Bescheid bearbeitet werden. Aber keine Regel ohne Ausnahme, wie der Erfahrungsaustausch mit anderen Organisationen im oö. Armutsnetzwerk zeigte. Als VereinssachwalterInnen können wir in unserer Vertretungspraxis die Bescheiderstellung überwiegend erfolgreich einfordern. Aus Beratungsgesprächen wissen wir, dass einzelne MitarbeiterInnen mancher Behörden die Antragsstellung gelegentlich„ausreden“, da scheinbar keine Erfolgsaussicht besteht. Eine Praxis, die jedenfalls weiter zurückzudrängen ist.

Verkürzte Entscheidungsfrist wird nicht immer eingehalten

Die Frist für die Entscheidung der Behörde in BMS-Angelegenheiten wurde gegenüber der Sozialhilfe halbiert und beträgt nun drei Monate. Ein sozialpolitischer Fortschritt. Im Regelfall wird von den SachbearbeiterInnen der Bezirksverwaltungsbehörde über einen eingebrachten Antrag auf BMS recht rasch – und wie im Gesetz vorgesehen ohne unnötigen Aufschub – entschieden, sodass die Hilfe rechtzeitig einsetzt.

Leider kann diese zügige Erledigung nicht immer bestätigt werden. Und nicht überall. Erst nach Verstreichen der Drei-Monate-Frist könnte eine Säumnisbeschwerde eingebracht werden. In einer Notlage und im „wirklichen Leben“ hilft dies nicht, obwohl die rechtliche Klärung wichtig wäre. Wenn die Entscheidung viele Wochen oder mehrere Monate in Anspruch nimmt, verfehlt die bedarfsorientierte Mindestsicherung ihr Ziel. Nicht in jeder Lebenslage ist es möglich, andere Gläubiger, den Vermieter, das Lebensmittelgeschäft oder den Energieversorger zu vertrösten.

Auch wenn Improvisieren zu den großen Tugenden armutsgefährdeter Menschen zählt, hat dies seine Grenzen. Sicher nur Einzelfälle, aber genau dann ist die Unzulänglichkeit des Gesetzesvollzugs besonders schmerzhaft.

Lange Bearbeitungszeiten bei Anträgen müssen VereinssachwalterInnen immer wieder bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden feststellen. Dies berichten auch andere Institutionen.Wenn eine Bescheiderstellung nicht umgehend erfolgen kann, sollten die Gründe näher definiert werden müssen. Und diese Gründe sollen nicht der Behörde zugeordnet werden dürfen. Bei systematisch langen Entscheidungsfristen sollte die Volksanwaltschaft eine Kontrolle durchführen, um eine Gegensteuerung der Verwaltung zu bewirken.

In der Vollziehung des MSG gibt es auch in Oberösterreich noch Verbesserungsbedarf. Neben einem leichteren Informationszugang für alle Hilfesuchenden besteht in Bezug zeitnaher Leistungszuerkennung weiterhin Optimierungsbedarf.

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at