Immer wieder regen Angehörige oder auch Institutionen für Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung bei Gericht ein Sachwalter-Bestellungsverfahren an, um Schutz insbesondere in finanziellen Belangen zu erreichen oder auch um Unterstützung bei Problemlösungen zu erhalten. Seit einigen Jahren können Bezirksgerichte im Zuge des Verfahrens einen Clearingauftrag erteilen, damit Vereinssachwalter die Frage von Alternativen erläutern. Das Gericht prüft im Rahmen des Bestellungsverfahrens mit Hilfe dieses Clearing-Berichtes sowie des medizinischen Sachverständigen-Gutachtens und des Berichtes vom Verfahrenssachwalter, ob die Bestellung eines Sachwalters unbedingt erforderlich ist. Die Angelegenheiten des Sachwalters müssen im Gerichtsbeschluss konkret beschrieben werden und dürfen nur aktuelle Erfordernisse umfassen.
ein Beitrag von Norbert Krammer, VertretungsNetz – Sachwalterschaft
In den letzten Jahren hat sich diese differenzierte Sichtweise und Umsetzung des Rechtsinstruments Sachwalterschaft zunehmend durchgesetzt. Jüngste Zahlen belegen ein Stagnieren der Bestellungszahlen: ein Erfolg nach dem rasanten Wachstum der Sachwalterbestellungen im letzten Jahrzehnt. Auch der Anteil von SachwalterInnen für die Erledigung aller Angelegenheiten nimmt ab. Diese einsetzenden Verbesserungen erhalten durch die aktuelle Diskussion über eine notwendige, tiefgreifende Reform des Sachwalterrechts zusätzlichen Auftrieb.
Kritische Überprüfung und Anträge
Schon jetzt und heute, und damit bereits vor diskutierten Gesetzesänderungen, kann und soll die Intention des Sachwalterrechts noch deutlicher in der Praxis zur Geltung kommen. Dabei sind nicht nur die bestellten SachwalterInnen und die Gerichte im Rahmen der jährlichen Berichte und Überprüfungen gefordert, sondern alle Beratungs- und Betreuungseinrichtungen, die Menschen mit Beeinträchtigung bei Anträgen unterstützen können.
Kritisch sind zwei Dinge zu beleuchten: erstens, ob das Instrument Sachwalterschaft tatsächlich unerlässlich ist und keine alternativen Unterstützungsmöglichkeiten bestehen. Zweitens müssen die Angelegenheiten, mit denen der Sachwalter/die Sachwalterin betraut ist, immer wieder kritisch betrachtet werden. Sachwalterschaft ist nicht als präventives Instrument konzipiert, denn der Sachwalter/die Sachwalterin übernimmt eine StellvertreterInnen-Funktion, und dadurch verliert der Mensch mit Beeinträchtigung auch Teile der Selbstbestimmung. Angelegenheiten, mit denen das Gericht den Sachwalter beauftragt, müssen konkret beschrieben sein und einen aktuellen Nachteil betreffen.
Wieder mehr eigene Verantwortungsbereiche
Für Herrn Hubert Sehler macht es einen Unterschied, ob der für ihn bestellte Sachwalter, den er grundsätzlich als unterstützend erlebt und mit dem er ein gutes Gesprächsklima hat, vom Gericht für die Erledigung aller Angelegenheiten betraut wird oder ob doch konkrete Aufgaben benannt werden. Herr Sehler, der auf Grund seiner Beeinträchtigung weitreichende Unterstützung bei finanziellen Angelegenheiten benötigt, schätzt die Verwaltung des Kontos, die Erledigung der Überweisungen und die Verwaltung des kleinen Sparvermögens. Auch in notwendigen Vertretungsangelegenheiten gegenüber Behörden besteht Bedarf. Fehlende Alternativen, wie unterstützte Kontoverwaltung durch persönliche Assistenz, nachgehende Erwachsenensozialarbeit oder antragslose Leistungsgewährung der Sozialbehörden, erfordern nach derzeitiger Rechtslage weiterhin die Bestellung eines Sachwalters. Aber eben mit konkret beschriebenen Angelegenheiten, beispielsweise die Verwaltung des Kontos oder des Einkommens und die Vertretung gegenüber der Bezirkshauptmannschaft.
Der von Herrn Sehler mit Unterstützung der Sozialberatungsstelle eingebrachte Antrag auf Einschränkung der Angelegenheiten führte zu deren Neudefinition. Wie wichtig diese Rückeroberung von Selbstbestimmung für Herrn Sehler ist, wurde auch für die BetreuerInnen erst nachträglich sichtbar. Jetzt will Herr Sehler wieder offiziell selbst Verantwortung für die Ausstellung seines Passes übernehmen, kümmert sich gemeinsam mit seiner Betreuerin um den Befreiungsantrag von der Telefongrundgebühr und plant gemeinsam mit dem Sachwalter eine schrittweise Übernahme der eigenständigen Verwaltung des Sparbuches. Weitere Schritte der Selbstbestimmung werden folgen.
Den Betrieb des Autos selbst verantworten
Noch ein Beispiel: Gerade in ländlichen Gebieten ist nur mittels Individualverkehr Mobilität herzustellen – auch für Menschen mit Beeinträchtigung. Daher genießen das Auto, das Motorrad oder das Mopedauto für viele Menschen einen sehr hohen Stellenwert. Sachwalterschaft ändert am Bedarf nichts.
Der Weg von ihrer Wohnung zum Arbeitsplatz bei einer Reinigungsfirma ist für Frau Maierhofer leider nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Mit ihrem Einkommen konnte sie sich die nötigen Mittel für den Ankauf eines Mopedautos ansparen. Vorher wurde noch der Führerschein in Angriff genommen. Nach bestandener Prüfung schien alles klar und der Erhalt des Arbeitsplatzes gesichert. Unterstützt wurde Frau Maierhofer bei der Umsetzung von der Mobilen Betreuung und von ihrer Sachwalterin, die gemäß Gerichtsbeschluss für die Verwaltung von Einkommen und Vermögen sowie der Vertretung vor Behörden zuständig ist.
Bereits bei der Anmeldung des Mopedautos erlebte Frau Maierhofer die Einschränkung durch Sachwalterschaft deutlich, denn ohne Zustimmung der Sachwalterin ging gar nichts. Aus rechtlicher Sicht reicht die Vertretung sogar noch weiter: Im Kraftfahrzeuggesetz (KFG) wird pauschal normiert, dass bei Bestellung eines Sachwalters/einer Sachwalterin diese/r für die dem Zulassungsbesitzer auferlegten Pflichten verantwortlich ist. Hier kann es zu Konflikten kommen, jedenfalls aber zu unnötiger Einschränkung der Selbstbestimmung. Der Oberste Gerichtshof (OGH) stellte in einem von VertretungsNetz angestrengten Rechtsmittelverfahren bereits 2013 fest, dass die Bestimmung im KFG entsprechend der Intention des Sachwalterrechts auszulegen sei. Leider hat der OGH die Gesetzesstelle im KFG nicht gleich aufgehoben. Somit bleibt im Fall einer Sachwalterschaft meist nur die Klärung im Zuge der Angelegenheiten. Und dies geschah auch bei Frau Maierhofer: Ein Antrag beim zuständigen Bezirksgericht auf Einschränkung der Angelegenheiten der Sachwalterin wurde unter Verweis auf die OGH-Entscheidung 10Ob12/13g eingebracht. Das Gericht fasste den gewünschten Beschluss, dass zukünftig die Verantwortung in Zusammenhang mit dem Betrieb des KFZ von den bisherigen Angelegenheiten der Sachwalterin ausgenommen bleibt. Ein Erfolg für Frau Maierhofer. In gut einem Dutzend ähnlich gelagerter Situationen konnten wir durch Hinweis auf die OGH-Judikatur eine Eigenverantwortung der Menschen mit Beeinträchtigung sicherstellen.
Überprüfungen und Anträge machen Sinn
Das Rechtsinstrument Sachwalterschaft steht vor der nächsten, weitreichenden Reform in Richtung Erwachsenenschutz. Bereits jetzt können und sollen die Chancen der genauen Beschreibung von Angelegenheiten genutzt werden, damit Selbstbestimmung und Eigenverantwortung erhalten bleiben. Die Beispiele zeigen diese Aussicht auf.