Halbpension? Märchen und Wahrheit zum österreichischen Pensionssystem aus Frauensicht

Am 26. Jänner fand der von der Armutskonferenz veranstaltete Studientag zur Pensions-Politik statt, an dem das österreichische Pensionssystem aus Frauensicht analysiert wurde. Im Rahmen des EU-Projekts „Faires Einkommen – Faire Pension“ beteiligte sich auch das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen als Kooperationspartner. ein Beitrag von Brigitte Theißl, Netzwerk österr. Frauen- und Mädchenberatungsstellen
Strukturwandel am Arbeitsmarkt – Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik

Christine Mayrhuber, Pensionsexpertin des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) kritisierte in ihrem Eingangsreferat, dass die aktuelle Diskussion um Pensionssystem und das Antrittsalter von Frauen an den eigentlichen Problemen vorbeigehe. Aufgrund des Äquivalenzprinzips im österreichischen Pensionssystem müsse ein Reformdiskurs immer auch den Arbeitsmarkt miteinbeziehen. Gerade der Strukturwandel am Arbeitsmarkt habe einen großen Einfluss auf die Alterssicherung – nachteilig betroffen seien davon besonders Frauen.

„In jeder öffentlichen Debatte zum Pensionssystem kommt die Forderung nach einer vorzeitigen Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen wie das Amen im Gebet. Angesichts der strukturellen Probleme ist das aber vernachlässigbar“, so Mayrhuber.

Die WIFO-Expertin stellte Besonderheiten des österreichischen Arbeitsmarkts dar, von denen insbesondere Frauen betroffen sind. So ist der Frauenanteil unter den Niedriglohnbeziehenden im EU-Vergleich besonders hoch, die Vollzeiterwerbstätigenquote ist bei Frauen hingegen besonders niedrig. Insgesamt steigen zwar die Beschäftigungszahlen, das Arbeitsvolumen sinkt jedoch. „Die Erzählung, dass Österreich besonders gut durch die Krise gekommen sei, stimmt so nicht mehr, wenn man die Frauenbrille aufsetzt“, sagte Mayrhuber. Frauen bekommen in Österreich nicht nur weitaus geringere Alterspensionen, sie haben auch insgesamt weniger häufig überhaupt einen Zugang zu einer Pension.
Mayrhuber identifizierte einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik: Frauen würden individuell adressiert und ihre Lebensentscheidungen in den Blick genommen, die Machbarkeit aufgrund der Gegebenheiten am Arbeitsmarkt würden jedoch nicht beachtet werden. Präventive Sozialpolitik müsse aber wesentlich früher ansetzen. Auch sei in den Köpfen noch immer stark eine Produktionsgesellschaft verankert, während wir längst in einer Dienstleistungsgesellschaft angekommen seien. Mayrhuber forderte daher eine Neudefinition des Arbeitsbegriffs sowie eine Neuverteilung der bezahlten Erwerbsarbeit und der unbezahlten Sorgearbeit, die nach wie vor hauptsächlich von Frauen getragen werde.

Verschleierungstaktik Generationenkampf

Am Nachmittag präsentierte Angelika Gruber von der Arbeiterkammer (AK) in ihrem Vortrag „Pensionssystem – Alte gegen Junge?“ den Abhängigkeitsquotenrechner der AK. Die Ökonomin argumentierte, dass die Debatte um die sogenannte Generationengerechtigkeit in der Alterssicherung den eigentlichen Verteilungskonflikt verschleiere und jungen Menschen eher schade als helfe. Soziale Unterschiede seien nicht innerhalb einer Generation, sondern quer durch alle Altersschichten zu finden: Herkunft, Klasse und Geschlecht würden die Chancen auf Einkommen, Vermögen und soziale Absicherung bestimmen. So wird auch der Bildungsgrad in Österreich größtenteils vererbt. Und während die untere Hälfte der Haushalte kaum nennenswerte Erbschaften erhält, erben die reichsten zehn Prozent durchschnittlich mehr als 300.000 Euro. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der EU sind diese leistungslosen Einkommen in Österreich steuerfrei. Alterssicherung sei also keine Frage der Biologie, sondern der Ökonomie, argumentierte die AK-Expertin. Auch die demografische Entwicklung identifizierte Gruber als bestimmenden Faktor in der Debatte um einen angeblichen Generationenkonflikt. Es entstehe in der öffentlichen Wahrnehmung ein Krisen- bzw. Katastrophenszenario, das wiederum als Legitimation für den Umbau bzw. Abbau des Sozialstaates herangezogen werde. Gruber stellte zudem den Abhängigkeitsquoten-Rechner vor, ein Grafik- und Rechenprogramm, das von der Arbeiterkammer entwickelt wurde, um ökonomische und demografische Abhängigkeiten im Pensionssystem darzustellen. Die Arbeiterkammer sieht eine hohe Beschäftigungsquote und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze als Schlüssel zu einer Sicherung des Pensionssystems.

Faire Einkommen – Faire Pensionen

Judith Schwentner, Sozialsprecherin der Grünen, präsentierte im Anschluss das Grüne Pensionsmodell, das Pensionen sozial gerecht und geschlechtergerecht sichern soll und von den TeilnehmerInnen des Studientags diskutiert wurde. “Eine zentrale Frage, die uns in der Debatte fehlt, ist die Frage, was ein Pensionssystem eigentlich leisten soll”, sagte Schwentner. Genannt wurden dabei Kriterien wie „Existenz im Alter sichern“, „Altersarmut verhindern“ und eine „geschlechtergerechte Berechnung“.  Das grüne Pensionsmodell geht von einer Grundpension für alle Menschen (abhängig von der Dauer des Aufenthalts in Österreich) in der Höhe von maximal 870 Euro aus. Das sei, so Schwentner, eine Art „Grundeinkommen im Alter“, das aus dem Steuertopf finanziert werden soll. Darauf aufbauend käme dann noch der durch Erwerbsarbeit entstandene Pensionsanspruch. „Billiger wird es mit dem grünen Modell nicht“, erklärte Schwentner. Es gehe aber vor allem um die Fragen, wie man das Vorhandene gerechter verteilen könne und um ein generelles „Commitment für ein existenzsicherndes Einkommen im Alter“, so die Sozialsprecherin weiter.

Hannah Steiner vom Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen präsentierte das Projekt „Faires Einkommen – Faire Pension“, das bis Ende April in mehreren EU-Ländern durchgeführt wird. Eben erschienen ist eine Broschüre, die den Gender Pay Gap und den Gender Pension Gap sowie deren gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in Österreich analysiert, ab März wird es eine Sensibilisierungskampagne geben, die mit Werbung in Straßenbahnen und einer Facebook-Kampagne auf die Themen Einkommens- und Pensionsgerechtigkeit aufmerksam machen möchte.

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at