Langzeitarbeitslosigkeit wird zum ernsthaften Problem

Im achten Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise scheint der österreichische Arbeitsmarkt keine „Insel der Seligen“ mehr zu sein. Selbst Oberösterreich ist mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der 2. Republik konfrontiert. Bei der Arbeitsmarktberichterstattung taucht eine alarmierende Entwicklung jedoch nur am Rande auf: Der massive Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. ein Beitrag von Dennis Tamesberger. Klicken sie diesen Link, um den ganzen Beitrag zu lesen.

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Seit der Pionierstudie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Jahoda/Lazarsfeld Zeisel sind die weitreichenden Folgen von langanhaltender Arbeitslosigkeit bekannt. Sie führt vor allem zu Resignation, Apathie und sozialer Isolation. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto höher ist auch das Risiko der Armutsgefährdung. Liegt das Armutsrisiko bei Menschen, die bis zu fünf Monate arbeitslos sind, noch bei 21 Prozent, so liegt es bei langzeitarbeitslosen Menschen (länger als ein Jahr) mehr als doppelt so hoch: bei 45 Prozent (EU-Silc 2014). Außerdem trägt Langzeitarbeitslosigkeit dazu bei, dass Armut an die in Erwerbslosenhaushalten lebenden Kinder weitergegeben wird, wie die Europäische Kommission betont.

Massiver Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit
Im Jahresdurchschnitt 2015 hatten in Oberösterreich fast 10.000 arbeitslose Menschen eine Vormerkdauer von mehr als sechs Monaten. Davon hatten rund 3.200 Arbeitslose sogar eine Vormerkdauer von mehr als zwölf Monaten. Im Vergleich zum Jahr 2008 – vor dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise – hat sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen damit mehr als verzehnfacht!

Langzeitarbeitslosen-Definition zu eng
Das Arbeitsmarktservice (AMS) bezeichnet Langzeitarbeitslose als Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet sind. Personen mit kurzen „Unterbrechungen“ bis zu 28 Tagen (zum Beispiel durch Schulungen) werden dabei nicht mitgezählt. Diese enge Definition beschreibt daher nur einen Teilausschnitt des Problemausmaßes. Die Kriterien “arbeitslos gemeldet” und “keine Unterbrechungen länger als 28 Tage” schränken den Personenkreis stark ein. Aus diesem Grund wurde zusätzlich der Indikator “Langzeitbeschäftigungslosigkeit” eingeführt. Hierbei werden alle Zeiträume mit dem Status „arbeitslos“, „lehrstellensuchend“, „in Schulung“, „BezieherInnen eines Fachkräftestipendiums“, „Abklärung der Arbeitsfähigkeit/Gesundheitsstraße“ oder „Schulung, Reha mit Umschulungsgeld“ zu einem Geschäftsfall zusammengehängt, wenn keine Unterbrechung von mehr als 62 Tagen vorliegt. Als langzeitbeschäftigungslos gilt eine Person, wenn sie eine so berechnete Fall-Dauer von mehr als 365 Tagen aufweist – das waren im Jahr 2015 in Oberösterreich 15.560 Menschen. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau (im Jahr 2008) ist dies fast eine Vervierfachung. Die Bundesländer waren jedoch unterschiedlich stark betroffen. Prozentuell verzeichneten Tirol (plus 357,6 Prozent), Kärnten (plus 301,1 Prozent) und Oberösterreich (plus 292,3 Prozent) die stärksten Anstiege.

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Langzeitbeschäftigungslose in Bundesländern, Quelle: AMS

Zusammenhang mit Rückgang an Schulungen
Der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit steht mit dem Rückgang an Schulungen in Zusammenhang. Ein besonders starker Rückgang der Schulungsintensität ist seit dem Jahr 2013 zu beobachten, und ab diesem Zeitpunkt schnellt auch die Anzahl an Langzeitarbeitslosen bzw. der Langzeitbeschäftigungslosen empor. Der Rückgang der Schulungsintensität ist auf einen bewussten Strategiewechsel der österreichischen Arbeitsmarktpolitik zurückzuführen. Da die Budgetmittel des AMS für aktive Arbeitsmarktpolitik, insbesondere jene für Schulungsangebote, trotz steigender Herausforderungen nicht angehoben wurden, hat sich zwangsläufig die Zahl der SchulungsteilnehmerInnen reduziert.

Doppelstrategie notwendig
Zur Senkung der Langzeitarbeitsarbeitslosigkeit ist eine Kombination von konjunkturbelebenden Maßnahmen und aktiver Arbeitsmarktpolitik notwendig. Zum einen hängt die Anzahl an Langzeitarbeitslosen bzw. die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit von der allgemeinen Arbeitsmarktentwicklung ab. Dies bedeutet, wenn es durch Konjunkturpolitik z.B. durch öffentliche Investitionen in den Ausbau der Sozial- und Bildungsinfrastruktur gelingt, Arbeitslosigkeit generell zu senken, dann wird zu einem bestimmten Grad auch die Langzeitarbeitslosigkeit sinken.

Aber die Konjunkturpolitik wird an ihre Grenzen stoßen, da eine lange Dauer der Arbeitslosigkeit bei den Betroffenen zu Dequalifizierung, gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder auch zu Demotivation führen kann, womit die Wiedereingliederungschancen – selbst bei genügend Arbeitsplätzen – sich deutlich reduzieren. Hinzu kommt ein diskriminierendes Verhalten von Unternehmen gegenüber Langzeitarbeitslosen und im speziellen gegenüber Älteren. Die aktive Arbeitsmarktpolitik kann diesen Phänomenen entgegenwirken, indem Zeiten der Arbeitslosigkeit sinnvoll für Weiterbildungen genutzt werden, indem Tagestrukturen und regelmäßige Kontakte Resignation sowie Demotivation verhindern und indem Unternehmen bestraft werden, die älteren Arbeitslosen keine Chance geben (z.B. durch ein spürbares Bonus-Malus-System). Letztendlich braucht es aber für bestimmte Zielgruppen vermehrte öffentliche Beschäftigungsangebote und
sozialökonomische Betriebe sowie gemeinnützige Beschäftigungsprojekte. Angesichts der enormen Knappheit an Arbeitsplätzen ist es notwendig, dass der Staat als „employer of last ressort“ agiert und für Langzeitarbeitslose durch Beschäftigungsgarantien würdevolle Perspektiven eröffnet.

Dennis_2935Dennis Tamesberger ist Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und seit 2009 Referent für Arbeitsmarktpolitik in der Arbeiterkammer OÖ. Er arbeitet zu den Themen Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitsmarktpolitik.

Dieser Beitrag ist im RUNDBRIEF April 2016 erschienen. Der Rundbrief ist eine Monatszeitung mit sozialpolitischen Themen, Informationen aus der Sozialszene sowie aktuellen Veranstaltungs- und Fortbildungstipps, Herausgeberin ist die Sozialplattform OÖ.

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at