NEIN zu den geplanten Mindestsicherungskürzungen in Oberösterreich

Das Armutsnetzwerk OÖ spricht sich klar gegen die Kürzungspläne der oö. Landesregierung aus und bezieht zur aktuellen Debatte Stellung. Die Wirkung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) als letztes soziales Auffangnetz wäre damit im Kern bedroht. Lesen Sie mehr dazu!


Positionen und Forderungen

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) wurde eingeführt, um jene Menschen, die ihren Bedarf nicht aus eigener Kraft decken können, vor Armut zu schützen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Sie ist in ihrer derzeitigen Form und mit den aktuellen Standards ein geeignetes Instrument, existenzbedrohliche Lebenslagen zu vermeiden beziehungsweise diese zu überwinden. Sie sorgt dafür, dass die Armut in unserem Land nicht massiv zunimmt.

ÖVP und FPÖ planen eine drastische Kürzung der Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtige. Für diese Personengruppen ist eine Kürzung der maximalen Bezugshöhe von derzeit Euro 914 auf künftig Euro 520 pro Monat (inkl. eines etwaigen „Integrationsbonus“) vorgesehen. Sie soll noch vor dem Sommer im oö. Landtag beschlossen werden, obwohl die derzeitigen Verhandlungen zur Bund-Länder-Vereinbarungen noch laufen. Die geplante Kürzung weicht daher von der derzeitigen Bund-Länder-Regelung ab.

Diese Kürzungen widersprechen dem Gleichheitsgrundsatz, der Genfer Flüchtlingskonvention, den EU-Richtlinien und dem OÖ Landesverfassungsgesetz.

 

Mindestsicherung ist bereits ein Mindeststandard

Wie der Wortlaut schon beschreibt, bietet die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ein Mindestmaß an existenzieller Absicherung. Die Unterschreitung eines Mindestmaßes, das eine notdürftige (= kaum ausreichende) Existenz ermöglichen soll, bedeutet logischerweise die Schaffung von notleidenden Existenzen. Das widerspricht eindeutig der Zielsetzung des OÖ Mindestsicherungsgesetzes.

§ 1 des OÖ Mindestsicherungsgesetzes lautet: „Aufgabe ist die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.“

 

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte

Die Hilfe der Gemeinschaft benötigen in besonderem Maße die aus Krieg und Verfolgung geflohenen Menschen. Wenn sie als Flüchtlinge anerkannt (positiver Asylbescheid) bzw. subsidiär schutzberechtigt sind, haben sie Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen harten Wettbewerb um die Arbeitsplätze werden sie meist nach positivem Asylbescheid nicht sofort Arbeit finden. Hier ist die Unterstützungsleistung der Mindestsicherung in der aktuellen Höhe (maximal Euro 914 monatlich) unbedingt erforderlich. Die geplante Kürzung auf Euro 520 monatlich wäre hier fatal:

Auch Nicht-ÖsterreicherInnen müssen ihren Lebensunterhalt bestreiten und haben die gleichen Ausgaben wie ÖsterreicherInnen. Die Chancen auf Integration schwinden, wenn der Kampf um die tägliche Existenzsicherung alle Kraft braucht.

Es werden Gesetze geschaffen, die soziale Ausgrenzung und Obdachlosigkeit fördern. Wichtiger wäre es jedoch, soziale Unterstützung und Arbeitsmarktintegration zu forcieren. Auch wirtschaftspolitisch ist es nicht sinnvoll, soziale Leistungen zu kürzen, denn sie sichern den Ärmsten einen Rest an Kaufkraft; und sie werden sofort wieder ausgegeben. Somit kurbelt die Mindestsicherung die Wirtschaft an und schafft Arbeitsplätze.

 

Eckpfeiler der Existenz: Wohnung und Arbeit

Im Regierungsübereinkommen von ÖVP/FPÖ ist eine gesetzliche Regelung vorgesehen, wonach Drittstaatsangehörige (Personen in Österreich, die weder EU/EWR-BürgerInnen und auch keine SchweizerInnen sind) künftig 54 Monate Einkommen beziehungsweise Sozialversicherung in einem Zeitraum von 60 Monaten nachweisen müssen, um eine Anspruchsberechtigung auf geförderte Wohnungen zu haben.

Anerkannte Flüchtlinge werden davon massiv betroffen sein. Sie müssen binnen vier Monaten die Flüchtlingsunterkünfte verlassen und eine Wohnung finden.

Wenn der Zugang zu geförderten Wohnungen verunmöglicht wird und gleichzeitig die Mindestsicherung im beschriebenen Ausmaß gekürzt werden soll, wird angemessenes Wohnen unmöglich. Prekäre Wohnformen und Obdachlosigkeit werden kräftig steigen.

Eine der Begründungen für die Kürzungspläne ist ein damit verbundener verstärkter „Anreiz“ zur Arbeitsaufnahme, wenn die Mindestsicherungsleistungen zum Leben nicht ausreicht. Angesichts der gegenwärtigen Rekordarbeitslosigkeit ist das höchst unrealistisch. Auch zeigen alle Erfahrungen, dass eine Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten Zeit braucht – bedingt durch erlittene Traumatisierungen, Erfordernis des Spracherwerbs, Abklärung vorhandener beziehungsweise fehlender Qualifikationen etc. Das Armutsnetzwerk OÖ ist überzeugt: Eine Kürzung der Mindestsicherung wird an dieser Sachlage nichts ändern.

Und: Schikanen schaffen keine Arbeitsplätze.

 

Politische Propaganda

Deutlich wahrnehmbar ist eine mit den Kürzungsvorhaben einhergehende politische Propaganda in Zusammenhang mit dem Mindestsicherungsbezug anerkannter Flüchtlinge und subsidiär schutzberechtigter Personen. Sie ist geprägt von Unterstellungen, der Begriff des Daueraufenthaltes in der „sozialen Hängematte“ ist von ÖVP und FPÖ längst eingeführt. Arbeitsunwilligkeit wird generell unterstellt, ebenso der Bezug von Sozialleistungen als Dauereinkommensquelle und die künftige Unfinanzierbarkeit des Sozialsystems.

Eine derart unrichtige beziehungsweise verkürzte Darstellung der schwierigen Lage der betroffenen Menschen lehnen wir ausdrücklich ab. Sie entspricht nicht der Wirklichkeit, schürt Neid und Misstrauen und wirkt entsolidarisierend. Die seitens der Politik verlangte Integration von Geflüchteten wird dadurch erschwert – nicht zuletzt wegen der steigenden Vorbehalte der Aufnahmegesellschaft.

 

Zuerst die Geflüchteten, dann die anderen?

Zurzeit dominiert das Thema der Mindestsicherungskürzungen für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte die politische Debatte. Es sei hier an eine von ÖVP und FPÖ betriebene und vom OÖ Landtag beschlossene Resolution erinnert. Gegenstand dieser Resolution ist eine angestrebte Begrenzung von Mindestsicherungsleistungen für Mehrpersonenhaushalte mit maximal Euro 1.500 pro Monat. Insbesondere die Zukunfts-Chancen von Kindern der betroffenen Haushalte würden darunter leiden – das soziale Milieu zu verlassen würde deutlich schwieriger.

Es wird nach Einschätzung des Armutsnetzwerkes OÖ nicht bei den geplanten Mindestsicherungskürzungen für anerkannte Flüchtlinge bleiben. Nach erfolgter Kürzung hier ist zu erwarten, dass die Begrenzung der Mindestsicherungshöhe bei Familien auf der politischen Agenda stehen wird.

 

Können wir uns das leisten?

Nur 3 % der in Österreich lebenden Menschen beziehen Mindestsicherung, mehr als zwei Drittel davon beziehen die Mindestsicherung nur als Aufstockungsleistung auf ein zu geringes Erwerbseinkommen oder sonstige Einkommensarten. Lediglich 1 % bezieht die volle Mindestsicherung. Die Kosten für die Mindestsicherungs-Geldleistungen einschließlich der Krankenhilfe machten 2014 nur rund 0,7 Prozent der gesamten Sozialausgaben aus.

Die Mindestsicherung sprengt daher keinesfalls das Budget. Kürzungen würden nur geringe unmittelbare Einsparungen bewirken, aber weitaus höhere sozial- und gesellschaftspolitische Folgekosten auslösen. Wollen wir uns das leisten?

 

Nein zu Mindestsicherungskürzung

Die Mindestsicherungshöchstsätze liegen aktuell ungefähr 20 % unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC. Eine Reduzierung dieser Werte würde verfestigte Armut und die soziale Isolation für BezieherInnen der Mindestsicherung bedeuten.

Das Armutsnetzwerk Oberösterreich lehnt daher jede Kürzung bzw. Verschlechterung bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausdrücklich hab. Dies betrifft sowohl die angestrebte Reduzierung der Mindestsicherungsleistungen für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte als auch eine Begrenzung der Mindestsicherungshöhe für Familien.

 

Anstelle von Kürzungen fordert das Armutsnetzwerk OÖ:

  • Erhalt der vollen Mindestsicherung, sowohl für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, als auch für Mehrpersonenhaushalt und eine Heranführung an die Armutsgefährdungsschwelle.
  • Erleichterung und Förderung beim Zugang zu Bildung, d.h. offener Zugang zu Bildungseinrichtungen und Sprachkursen; Anerkennung von Ausbildung und Qualifizierungen auf allen Ebenen für Erwachsen und auch für Kinder.
  • Erleichterungen beim Zugang zu leistbarem Wohnen und zum Arbeitsmarkt für asylberechtigte und subsidiär schutzberechtigte Personen
  • Ausbau der Unterstützungsangebote von Sozialeinrichtungen im Zusammenhang mit Wohnen und Arbeit
  • Achtsamen und redlichen Sprachgebrauch in der politischen Argumentation anstelle von Populismus
  • Stärkung der Rolle des Bundes bei der Definition von bundesweit verbindlichen Mindeststandards in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, um die Bundesländer an der Unterwanderung von Standards zu hindern
  • Ausreichende Mittel für das AMS für Deutsch-/Alphabetisierungskurse und Qualifizierungen, damit eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration frühzeitig gefördert wird, denn generell soll es gar nicht so weit kommen, dass die Menschen eine Aufzahlung im Rahmen der BMS benötigen.

Armutsnetzwerk OÖ, 7. April 2016

 

 

 

 

 

Sozialplattform

Die Sozialplattform ist ein regionales Netzwerk von Sozialeinrichtungen in ganz Oberösterreich, das 1985 gegründet wurde. 38 Vereine und gemeinnützige Unternehmen sind zurzeit Mitglied. Vernetzung, Service, Information und Vertretung für eine starke und aktive Sozialszene in OÖ. www.sozialplattform.at